Interview mit Jos Mosmuller
20-02-2014 Artikel von Lieke van der Ree & Diederik van LeeuwenJos, du leitest den Occident Verlag. Kannst Du uns etwas über Deine Arbeit erzählen?
Ja, ich denke, es ist gut, sie im historischen Kontext zu sehen. 1993 habe ich neben der Arztpraxis mit der Ausbildung im Verlagswesen angefangen. Das war ein Abendkurs in Utrecht, den ich gemacht habe, weil ich das Buch, das Mieke 1992/93 zu schreiben beschlossen hatte, selbst herausgeben wollte. Dies ist dann ‘Suche das Licht, das im Abendlande aufgeht’ geworden. Ich habe den Verlag 1994 gegründet und habe mit der Herausgabe des Buches begonnen. 1995 beschloss Mieke aufgrund von Fragen von Menschen, die ‘Suche das Licht’ gelesen hatten, einen Roman zu schreiben. ‘Mutter eines Königs’ ist der erste Roman, in dem das Thema von ‘Suche das Licht’ in erzählerischer, in Romanform wiederkehrt, und dies wurde das zweite Buch, was wir herausgaben. Man muss sich vorstellen, dass es natürlich eine regelrechte Entdeckungsreise war, denn wir waren Ärzte und wechselten auf ein ganz neues Gebiet; zwar hatte ich einen Kurs gemacht, aber man muss es doch wirklich erst in der Praxis lernen. Anfangs habe ich eigentlich alles alleine gemacht, ich hatte nur etwas Unterstützung durch meinen Schwager, der für das Technische, für die IT sorgte und ein Administrationsprogramm einrichtete, das man natürlich braucht. Um alles Übrige, sämtliche Kontakte, mit den zentralen Buchhandlungen, mit Buchhändlern, mit Börsen und Messen, auch mit den Journalisten, für Rezensionen, was zu dieser Zeit sehr wichtig war, habe ich mich selbst gekümmert. Das tat ich etwa ein Jahr lang, und dann wurde es doch mehr, als einer allein leisten kann. Wir haben das erste Buch gleichzeitig in niederländischer und deutscher Sprache herausgegeben.
Nach einem Jahr bekam ich Unterstützung von meiner Schwester Monique Visser, sie nahm mir den Verkauf ab und erwies sich darin auch als sehr geschickt. So waren anfänglich also mein Schwager und meine Schwester meine Stützen. Wie wohnten und arbeiteten damals noch in Den Haag. Jährlich kam dann ein neues Buch, ein neuer Roman hinzu. So wurden es zunächst vier Romane: ‘Mutter eines Königs’, ‘Gardevias’, ‘Lotus und Lilie’ und ‘Ballade in g-Moll’, ein viergliedriges Werk.
Vier Jahre später, 1998/99, kam das Buch ‘Einfach Gott’ mit Toon Hermans heraus, das Mieke zusammen mit ihm in den Jahren 1995-98 geschrieben hatte. Dies gab natürlich auch wiederum einen neuen Impuls und eine gewisse Bekanntheit. In den Jahren 1998 bis 2002 erschienen dann die Bücher ‘Ethischer Individualismus versus Kommunikatives Handeln, Kritik an Habermas’ Theorie’, ‘Meditation’, ‘Der Mann im Vondelpark’, ‘Haus ohne Fenster’ und – auf deutsch – ‘Der deutsche Geist’. 2002 erschien Miekes Roman ‘Die Weisheit ist eine Frau’, und das wurde ein Erfolg. Zugleich kam damals auch ein Einbruch: Ich wurde krank und musste meine Tätigkeit aufgeben. Da wir in Baarle-Nassau schon sehr lang ein Ferienhäuschen hatten, ging ich hierher, um mich zu erholen. Letztlich haben wir dann den Entschluss gefasst, die Praxis zu schließen und den Verlag und das Werk von Mieke fortzuführen. Wir sind dann auch nach Baarle-Nassau umgezogen. Das war 2002/03.
2006 haben wir neben dem Verlag einen Internet-Buchhandel begonnen, der gerade völlig erneuert wird. Das ist notwendig, weil die ganze Branche enorm in Bewegung ist.
In der Fachzeitschrift ‘Het boekblad’ kann man lesen, dass es bei den Druckereien, Verlagen und Buchhändlern viele Übernahmen gibt, Fusionen, dass sie auch oft schließen müssen. Anfänglich dachte man, dass das e-book das Papier verdrängen würde, aber nun zeigen sich doch wieder sehr positive Signale, nämlich dass die Menschen doch nach guten Papierbüchern verlangen.
Du hast erzählt, dass Monique und dein Schwager dich unterstützt haben. Sind danach noch weitere unterstützende Kräfte hinzugekommen?
Ja, nach dem Umzug nach Baarle-Nassau ist mein Schwager in Den Haag geblieben und meine Schwester, die den Verkauf machte, mitgekommen. Für die IT-Arbeit kam jemand anders, der Vater meines Schwiegersohnes Martijn. Später arbeiteten auch unsere Tochter Ruth und ihr Mann Martijn bei uns mit. Martijn ist sehr tüchtig im Einrichten von Webseiten. 2011 haben wir einen Geschäftsraum angemietet. Einige Jahre zuvor war schon ein weiterer Arbeitnehmer hinzugekommen, der sich um die Verarbeitung der Bestellungen, um das Verpacken und die Versendung kümmerte. Auch haben wir noch jemanden, der beim Verkauf der englischen Ausgaben mitarbeitet.
Was müssen wir uns unter dem englischsprachigen Gebiet vorstellen?
Nun, da geht es um die ganze englischsprachige Welt, international. Wir sind da erst am Anfang. In unserem Verlag sind wir sehr spezialistisch tätig, weil Anthroposophie die Basis für unser Tun ist. Dafür braucht man eine gewisse Begeisterung, ein gewisses Feuer. Man ist mit der Anthroposophie so verbunden, dass man Dinge tut, die ein anderer Herausgeber oder ein anderer Betrieb nie tun würde. Dass man bestimmte Schritte setzt, Risiken in Kauf nimmt, weil man denkt: es muss klappen – und dann geschieht es auch. Das ist im gewöhnlichen Geschäftsleben nicht üblich, dass man einen so enormen Einsatz gibt, während man eigentlich nur eine ziemlich schmale Basis hat, auch finanziell, und es dann dennoch macht. Und das weiß man von Rudolf Steiner: es kommt dann doch zurück. Man muss den Mut und das Vertrauen haben, dass, wenn man es von dieser Grundlage aus macht, der Betrieb letztlich überlebt. Das ist natürlich auch der Tatsache zu danken, dass andere Menschen diese Arbeit erkennen und Hilfe geben – nicht nur innerhalb des anthroposophischen Umkreises, man merkt es auch bei anderen Menschen, dass etwas zurückkommt, dass man die Arbeit erkennt. Wenn man zum Beispiel das Buch ,,Johannes" nimmt, das 2012 in deutscher Sprache erschienen ist, dann sieht man, dass Menschen, wenn sie es gelesen haben, erkennen und davon begeistert sind, dass sie sehr dankbar sind, es empfangen zu haben. Dann weiß man, dass es sinnvoll ist, was man tut. Obwohl man in finanzieller Hinsicht oft recht verzweifelt werden kann, doch darauf darf man, wenn man diese Arbeit macht, eigentlich nicht schauen. Geht man nach den normalen Gesichtspunkten in unserer heutigen Zeit, kann diese Arbeit überhaupt nicht getan werden – woher nimmt man den Mut, zu denken, dass dies möglich wäre? Die Frage ist: warum macht man das? Ja, damit etwas geweckt wird, das rein menschlich ist, das das Beste in einem aufruft.
Kannst du vielleicht ein Beispiel geben, wo du dachtest ‘Nun geht es wirklich nicht mehr’ und wo du hinterher sagen musstest: ‘Jetzt haben wir es doch wieder geschafft’?
Ja, da gab es zum Beispiel eine inzwischen verstorbene Dame, die in Norddeutschland wohnte und die regelmäßig zu Miekes Vorträgen in Hamburg kam. Eines Tages rief sie uns an und fragte: Wie geht es euch? Denn wenn ich alles so sehe, frage ich mich immer wieder, wie das finanziell eigentlich möglich ist, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass man das alles einfach so machen kann. – Wir haben ihr dann gesagt, dass wir es immer wieder mit unseren eigenen Mitteln geschafft hatten, aber das jetzt ein Moment eingetreten ist, wo es eigentlich nicht mehr geht. Sie hat uns dann eine rettende Schenkung gemacht.
Gibst du nur Miekes Bücher heraus oder auch noch etwas anders?
2007 hatte der bisherige Verleger von Fontein in Baarn, der das Büchlein von Toon Hermans und Mieke, ‘Gewoon God’ herausgegeben hatte, aufgehört, wodurch auch die Herausgabe dieses Buches gestoppt wurde. Wir haben daraufhin vorgeschlagen, die Herausgabe weiter zu übernehmen.
Weil wir viel mit Hans Bonneval in Hamburg zusammenarbeiten, fraget er uns bei einem unserer Aufenthalte dort, ob wir sein Buch ‘Das Denken als Weg’ herausgeben würden. Weil ich von seinem besonderen und direkten Ansatz begeistert war, haben wir es 2010 herausgegeben.
Im Oktober 2013 haben wir die Auseinandersetzung von Holger mit Helmut Zanders Buch “Rudolf Steiner. Die Biografie“ in dem Buch „Unwahrheit und Wissenschaft“ herausgegeben.
In Dezember 2013 haben wir noch ein kleines Büchlein von Novalis, “Die Lehrlinge zu Saïs”, in holländischer Übersetzung von Mieke herausgegeben.
Wie ist die Verbreitung von Miekes Büchern im deutschsprachigen Bereich?
Das deutschsprachige Gebiet ist natürlich ziemlich groß: Deutschland, Österreich, die Schweiz.
Für uns war es sehr wichtig, in diesem Gebiet wirksam zu werden, weil es das ursprüngliche Kulturgebiet ist, wo Rudolf Steiner wirkte. Für den Verlag bedeutet die Arbeit in zwei Sprachen von Anfang an auch, dass es ein größeres Absatzgebiet gibt. Die Deutschen sind typischerweise nicht so starke Romanleser, sie halten mehr von Inhalt, von philosophischer, technischer, von Denkarbeit. Bei den Niederländern und Belgiern, wo der Roman doch sehr beliebt ist, geht das besser. Die Verbreitung im deutschsprachigen Raum ist von Anfang an sehr gut gegangen. Jede neue Herausgabe findet sein Publikum und wird gut verkauft.
An den Büchern fällt auf, dass sie sehr sorgfältig gestaltet sind. ‘Suche das Licht’ hat einen etwas einfacheren Einband, aber die meisten Bücher haben einen festen Leineneinband, einen schönen Umschlag, eine schöne Titelgestaltung. Kannst du darüber noch etwas erzählen?
Wenn man mit der Arbeit als Verleger beginnt, dann weiß man von Anfang bis Ende, wie ein Buch gemacht werden muss und wen man braucht, um dies zu bewerkstelligen, doch dann ist es noch immer ein ganzer Weg, die richtigen Menschen zu finden. Am Anfang hatte ich einen sehr guten Drucker, der z.B. auch Bibeln druckte, Druckerei Veenman in Wageningen. Wir hatten die Vereinbarung, dass er unsere Zeichnungen für den Einband verarbeitete und sich auch um das Papier und alles kümmerte. Er machte die ganze grafische Arbeit. Das war am Anfang natürlich sehr schön. Doch dann denkt man immer mehr: Ja, aber ich will es spezieller, ich will mehr Fühlung damit bekommen, ich will das auch selbst entwerfen können. Damals kam natürlich die Computertechnik auf, dann folgte ‘Mutter eines Königs’, so kamen wir einen Schritt weiter. Aber die grafische Arbeit blieb doch noch ziemlich unvollkommen.
Dann sucht man nach einem wirklichen Grafikbetrieb und kommt immer mehr in diesen Bereich hinein. Schließlich kommt der Moment, wo man denkt: ‘Ich will neben einem Paperback auch ein gebundenes Buch mit Leineneinband machen.’ Eines Tages haben wir dann eine bestimmte Form gefunden: so muss die Ausstrahlung der Bücher von Mieke Mosmuller sein. Bücher wie ‘Die Weisheit ist eine Frau’ und ‘Haus ohne Fenster’ sind Beispiele dafür.
Nun ist das erste Buch in einem großen Format erschienen, die Biografie von Rudolf Steiner. Das ist wieder ein neuer Schritt, zu sagen: ‘Wie geben ein Buch mit viel Inhalt, in einem großen Format heraus.’ Das deutschsprachige Buch ‘Johannes, Dialoge über die Einweihung’ erschien auch in einem so großen Format, es sind zwei Teile in einem. Es ist dann natürlich immer die Frage: Wie wird das aufgenommen? Was bezahlen Menschen für ein Buch? Es ist eigentlich immer zu wenig, aber es ist nun einmal so. Es gibt einen Unterschied zwischen Paperback, einem gebundenen Buch und einem Buch dieses Formates.
Vermisst du deine Arbeit als Arzt? Du hast außerordentlich viel Freude an der Verleger-Arbeit, das hören und sehen wir. Aber vermisst du auch etwas?
Ja, was ich vermisse, ist der direkte Patientenkontakt und das ärztliche Tun. Aber das Herausgeben von Büchern und das Geben von Seminaren ist auch eine Form der Heilkunde. Auch dies kann man als einen Heilungsprozess des Menschen im allgemeinen sehen. Das ist der anthroposophische Weg.
Ja. Deine chronischen Patienten waren sehr dankbar für die Tropfen und Kügelchen, aber das allein ist nicht genug, denn es muss ein innerer Prozess in Gang kommen, und daran kannst du jetzt arbeiten.
Ja, so ist es. Wie Rudolf Steiner es angeregt hat, versuchen wir, so vielen Menschen wie möglich etwas zu bringen, das in der Welt als Ferment wirksam werden kann. Wenn ein paar Menschen dasselbe meditieren, ist dies nicht einfach ein Plus, sondern es potenziert sich. Das heißt: Was einige Menschen zusammen tun, bekommt eine viel größere Verstärkung. Es wird nicht addiert, sondern vervielfacht. Wenn es zehn Menschen mit der Kraft von zweien sind, wird es eine Kraft von Zwei hoch zehn.
Möchtest du dem Freundeskreis noch etwas sagen?
Immer wenn ein neues Buch herauskam, hoffte man, dass eine Zeitschrift um eine Rezension bat. Nun heißt es im ‘Het boekblad’ – der Fachzeitschrift des Buchhandels – dass die Bedeutung solcher Rezensionen in den letzten Jahren stark abgenommen hat. An deren Stelle treten die Social Media wie Facebook. So gibt es inzwischen Seiten wie www.boeklezers.nl, das sind Plattformen für Bücherliebhaber, die dort Bücher besprechen können, so dass andere Menschen davon erfahren und dann ihrerseits Kommentare hinzusetzen können. Das scheint mir auch ein guter Hinweis für den Freundeskreis zu sein.
Was ist deine Hoffnung für die Zukunft?
Meine Hoffnung ist, dass die Menschen zu dieser inneren Aktivität kommen können, wodurch sie durch Selbsterziehung in einen Veränderungsprozess kommen, ein anderer Mensch werden.
Es gibt zum Beispiel in Dänemark eine Studiengruppe, die an dem Büchlein ‘Anschauen des Denkens’ arbeitet. Daraus ist eine dänische Übersetzung hervorgegangen, die gerade erschienen ist.