Königsweg – ein weitreichender Aufruf

22-06-2014 Buchbesprechung von Gerard Hotho & Holger Niederhausen

Weil uns während und nach dem Lesen von Mieke Mosmullers neuestem Roman „Königsweg“ innerlich Vieles beschäftigt hat, haben wir beschlossen, den Stift zur Hand zu nehmen. Wir haben das Buch als einen sehr eindringlichen Aufruf erfahren, das Spiritualisieren des Denkens in den Mittelpunkt unseres Lebens zu stellen (und man denke nicht zu schnell, dass man dies schon tue!), und wir lasen auch von der absoluten Notwendigkeit, dass eine Reihe von Menschen dies heute auch wirklich tut und sich dabei weiter zum Erkenntniskultus hinaufzuarbeiten vermag (S. 566-567).

Das Hauptthema der letzten Periode (1924-1925) im Leben Rudolf Steiners war das Zurückführen der Intelligenz zu Michael oder das Spiritualisieren des Denkens. Die Karmavorträge von 1924 und die “Leitsätze” zeugen davon. Wir wissen jedoch von Mieke, dass diese Aufgabe von Rudolf Steiners Schülern ungenügend ergriffen wurde. Die Anthroposophie lehrt uns, dass ein geistiger Impuls, der auf die Erde gebracht wird, ungefähr 70 Jahre lang wirksam sein kann. Rechnen wir vom Ende von Steiners öffentlicher Wirksamkeit 1924 an, kommen wir etwa zum Jahre 1994. In diesem Jahr schrieb Mieke ihr erstes Buch „Suche das Licht, das im Abendlande aufgeht“ mit dem Thema der ... Spiritualisierung des Denkens. Sehen wir darum ihren Aufruf, zu einem Spiritualisieren des Denkens zu kommen, niemals zu klein!

Es war für uns in gewissem Sinne dann auch ein Schock, als wir lasen, dass wir in Bezug darauf das Wichtigste versäumen. Am deutlichsten wird dies auf Seite 393. Da steht, dass selbst die (kleine) Zahl der Schüler im Institut, die durchaus begreift, was getan werden muss, in zweierlei Hinsicht noch nicht weit genug geht. Wir dürfen das, was für diese Schüler gesagt wird, natürlich auf uns selbst beziehen.

Dieses Versäumen oder Versagen hängt für uns auch mit der Tatsache zusammen, dass das Buch in seinen Enthüllungen sehr weit geht. Es kulminiert in den zwölf Vorträgen, die Philippe in dem Institut gibt. Wir konnten diese zwölf Vorträge nur als die Klassenstunden für unsere Zeit erleben. Klassenstunden, gebracht in der vollen Öffentlichkeit eines Buches. Wir sollten vor allem begreifen, was das heißt. Und dies neben den Spruch aus dem letzten Monat von Steiners Leben stellen, in dem er seinen Schülern eine Art Testament hinterlässt: „Ich möchte jeden Menschen / Aus des Kosmos Geist entzünden / Daß er Flamme werde / Und feurig seines Wesens Wesen / Entfalte...“ Auf Seite 473 steht, dass Steiner seine Schüler hierum anflehte. Es möge deutlich sein, dass dieses Flehen nun an uns gerichtet wird. Es war natürlich auch nicht zufällig, dass gerade dieser Spruch während der Buchpräsentation von „Philippe“ in Amsterdam zweimal eurythmisch aufgeführt wurde.

Was sind nun die Kernpunkte, worauf wir achten sollen? Der erste Schritt auf dem Entwicklungsweg ist es, zu einer Spiritualisierung des Denkens zu kommen. Eine notwendige Voraussetzung hierfür ist, dass wir die Intellektualität zur Genüge entwickelt haben (S. 393). Das Ausmaß an Willenskraft, die bei den Konzentrations- und Meditationsübungen eingesetzt werden muss, wird dabei immer wieder nicht groß genug gesehen, und daneben mangelt es an der Feinheit, um in die ätherischen Prozesse hineinzukommen (S.393 -394). Unsere Selbstbeherrschung im Denken ist also nicht groß genug. Weitere Anweisungen findet man dann im weiteren Verlauf: Man entwickle die Gottesfurcht, die Frömmigkeit und das Wissen (S. 431-432). Und schließlich: Man mache Steiners Spruch (S. 473) zu einem Lebensmotto.

Um den nächsten Schritt auf dem Entwicklungsweg setzen zu können, ist es nötig, dass wir das Denken anschauen lernen. Im zwölften Vortrag (S. 605-610) lesen wir von dem Üben des Wahrnehmens des In-Gang-Setzens des Denkens, ohne die Sinne und die Erinnerung zu gebrauchen. Nach diesem Schritt können wir uns zu den Stufen der Imagination, Inspiration und Intuition weiterentwickeln. Hierfür werden keine konkreten Anweisungen oder Mahnungen gegeben, doch findet man mehr darüber u.a. in Miekes Buch „Meditation“ (S. 79-91). Erst mit der Intuition sind wir zum Erkenntniskultus vorgedrungen.

Die Schüler Rudolf Steiners haben seinerzeit zu wenig Einsatz im Gehen des Einweihungsweges gegeben. Lasse man dies eine Mahnung an jeden Einzelnen von uns sein, in diesem so ernsten Moment der Menschheitsgeschichte, in dem wiederum – und vielleicht zum letzten Mal – die Möglichkeit gegeben ist, die wahre Menschlichkeit zu retten. Entflammen wir das kosmische Feuer!

9783000468544