Der Untergang der alten Hellsichtigkeit (Götterdämmerung)

05-02-2018 Artikel von Jos Mosmuller

Zu Beginn des 5. Jahrhunderts v. Chr. wurden Nord- und Westeuropa vor allem von den Germanen und Kelten bevölkert, in spärteren Jahrhunderten von den Galliern, den Sachsen und den Normannen.

Um 500 v. Chr. berichtete der Grieche Hekataios von Milet die Existenz eines Volkes, das er die Keltoi oder Kelten nannte. Kurz danach schrieb Herodot 445 v. Chr., dass ihr Ursprungsgebiet zwischen den Alpen und der Donau gesucht werden müsse.

Wie alle Völker, die damals in Europa lebten, hatten die Germanen und die Kelten mehrere Götter und Göttinnen, sie hatten eine Naturreligion. Das bedeutete, dass sie in den verschiedenen Kräften in der Natur einen Gott oder eine Göttin sahen. Diese finden wir in der germanischen Mythologie wieder, die vor allem in der Edda enthalten ist, einer Sammlung von Liedern aus dem mittelalterlichen Island. Die Edda geht auf die Drotten- oder Druiden- Mysterien zurück. Das Wort ,Druide’ kommt von ,Dru’, das Eiche bedeutet. Der Priester oder weise Mann des Nordens wurde Eiche genannt.

DruidenDruiden

Während der Mittwinterzeremonie schnitt ein in Weiß gekleideter Druide mit einer goldenen Sichel die Mistel aus der heiligen Eiche. Die abgeschnittene Pflanze durfte nicht den Boden berühren und wurde in weißen Tüchern aufgefangen. Die Mistel wurde gegen Krankheiten und Unheil verwendet. Dies war von Tieropfern für die Fruchtbarkeitsgöttin Freya begleitet. Der Druide leitete auch die Mysterien von Baldur und Loki, die mit den Osiris- und Isis-Mysterien in Ägypten zu vergleichen waren. Sie verwendeten hierfür Steinkreise oder megalithische Bauten (Stonehenge). Sie hatten zudem heilige Wasserquellen und heilige Bäume. In den Händen der Druidenpriester lag eine enorme Macht, sie verfügten über Leben und Tod. Doch was einst das Höchste und Heiligste war, geriet in Dekadenz, und in der Zeit, in der sich das Christentum ausbreitete, gab es viele Schwarzmagier. Letztendlich wurde das Christentum als eine Befreiung betrachtet.

In der germanisch-keltischen Mythologie, der Mythologie des Nordens, finden wir, wie auch in der Bibel, die Geschichte vom Entstehen und Vergehen der Welt.

Es gab ein Ginnungagap, eine gähnende Leere. In dieser gähnenden Leere bildete sich eine enorme Eismasse, die langsam zu Wasser schmolz ... und daraus kam ein Urwesen zum Vorschein, das Ymir hieß. Man könnte sagen, dies war die keltische Gestalt des Adam Kadmon. Ymir war ein riesiger Mensch, ein Riese. Er war Hermaphrodit, das heißt, halb Mann, halb Frau, und er hatte eine pflanzenartige Gestalt. Er konnte allerlei Gestalten aus sich hervorbringen. So gebar er aus sich Odin, Vili und Ve, die drei Brüder. Odin wurde auch Wotan genannt, er wurde später der Obergott. Diese drei Brüder wurden also aus dem Urmenschen Ymir geboren. Als die Brüder eine Zeitlang zusammen waren, wollten sie ein Menschenreich erschaffen, über das sie herrschen könnten. Doch sie wussten, dass dies nur möglich wäre, wenn sie den Urmenschen Ymir töteten, um dann aus ihm eine neue Welt zu erschaffen. Das taten sie... Ymir wurde getötet, und aus seinem Schädel wurde der Kosmos mit dem Himmel und den Sternen gemacht; aus seinem Gehirn wurden die Wolken geformt; aus seinem Fleisch wurde die Erde geschaffen, diese wurde Midgard genannt. Aus seinem Blut wurden die Flüsse gemacht. Als alles entstanden war, war auch ein Baum entstanden, Yggdrasil, der Lebensbaum, der das Reich in drei Teile teilte: unten Niflheim, in der Mitte Midgard und oben Asgard.

Niflheim war das Reich der Toten, Midgard die Erde und Asgard das Reich der Götter, das Odin gehörte. Odins Geschlecht war das Geschlecht der Asen, die atmosphärische Götter sind. Das Geschlecht von Vili und Ve war das Geschlecht der Wanen, der mehr irdischen Götterfamilie. Asen sind ausgesprochen weise und handelnde, kämpfende Götter. Wanen sind Fruchtbarkeitsgötter, Götter des Meeres und der Fülle.

Anfangs entstand ein großer Bruderzwist, doch allmählich schlossen sie Frieden miteinander, und es entstand eine Spaltung in zwei Reiche. Asgrad der Himmel und Wanheim der Unterhimmel. Vili und Ve und ihre Gefolgschaft wurden die Wanen in Wanheim und die Asen im Himmel waren die Götter mit Odin als dem Obergott. Da war auch das Walhalla, in das die Krieger aufgenommen wurden, die auf dem Schlachtfeld gefallen waren. Walhalla war ein enormer Saal mit grandiosen Maßen. Es sollte 500 Tore mit 500 Sälen haben, deren jeder 800 Krieger beherbergte. Der Flur war mit Speeren bedeckt, die Wände bestanden aus Schilden, und auf den Bänken lagen Panzer. Vor den westlichen Toren hing ein Wolf, und ein Adler schwebte darüber. Das andere Totenreich, Nifhel oder Niflheim, war für die Kranken, Älteren, die Frauen und für Männer, die eines natürlichen Todes gestorben waren. Diese Welt wurde von der Göttin Hel geführt. Dann gab es noch Alfheim oder Albenheim, das Reich der Elfen, und Muspelheim, die Feuerwelt.

Odin oder Wotan, Watanaz, der Wissende, war ein sehr kräftiger Herrscher und Krieger, der die Weisheit der Welt hatte. So wurde er auch Allvater genannt, weil er einer der Schöpfer der Welt war. Er wurde zugleich ,der Wanderer’ mit dem Stab genannt, weil er immer unterwegs war, anwesend unter den Menschen, um neues Wissen zu erwerben. Er konnte seine Form verwandeln und erlebte so viele Abenteuer. Er ging zu einem anderen Riesen, Mimir, der an einem kleinen Meer wohnte. Wenn man aus dem Meer trinken durfte, verfügte man über große Weisheit. Aber um trinken zu dürfen, musste Mimir etwas gegeben werden. Odin gab dafür sein Auge und durfte trinken. Er erhielt die große Weisheit. Von da an trug Odin den Namen ,der Einäugige’ und trug vor seinem linken Auge eine Augenklappe. Mimir reiste von dem Moment an stets mit Odin mit. Odin erhielt von Mimir zwei Raben auf seine Schulter, Hugin und Munin, das waren sein Denken und sein Gedächtnis. Die Raben zogen in die Welt hinein und brachten ihm die Weltenweisheit zurück. Außerdem hatte er einen Speer, Gungnir, der stets traf, und einen Wanderstab, aus dem Blätter sprossen, einen Stab voller Leben.

Odin
Odin oder Wotan

Außerdem hatte er noch zwei Wölfe, Geri und Freki, der Gierige und der Gefräßige. Er selbst aß nicht, das taten die beiden Wölfe. Er trank nur Wein und erhielt dadurch stets neue Weisheit. Er trug auch einen Ring, Draupnir, damit konnte er sich unsichtbar machen. Aus diesem Ring gingen wöchentlich neun neue Ringe hervor. Sein Pferd, Sleipnir, war ein achtbeiniger Hengst, der ihn durch den Himmel und zur Unterwelt trug. Odins Schiff hieß Skidbladnir, ein Schiff, das alle Götter tragen konnte, aber faltbar war, bis es so klein war, dass es in eine Tasche passte.

In dem Ozean, der aus Ymirs Blut entstanden war, befand sich eine Weltenschlange, die darin herumschwamm, die Midgardschlange. Diese war so groß, dass sie sich um die ganze Welt winden und sich dann in den Schwanz beißen konnte. Dann war es ein geschlossenes Ganzes.

Yggdrasil
Yggdrasil

Odin brachte ein Opfer, indem er sich selbst an dem Lebensbaum Yggdrasil aufhing, um daran seine Weisheit zu nähren. Eines der Dinge, die er erlangen wollte, war der Besitz der magischen Runen (das Runen ritzen). Dies waren Zeichen, die aus kräftigen Linien bestanden, um sie leicht auf Stein, Metall oder Holz zu zeichnen. Die Runen würden Zugang zu den mächtigen Naturkräften geben. Odin wusste sehr genau, dass er, wenn er für immer in seiner Weisheit bliebe, die Weltkräfte auch weiter sehr gut beherrschen könnte.

Doch unter der Wurzel von Yggrasil, dem Lebensbaum, lebten die drei Nornen oder Schicksalsgöttinnen, die an einem Webstuhl webten, sie webten an dem Weltenschicksal. Die drei Nornen hießen Urd (Ursprung, das Schicksal aus der Vergangenheit), Verdandi (Werdend, die Gegenwart) und Skuld (Schuld, Zukunft). Sie wohnten neben einer Quelle, die unter dem Mutterbaum Yggdrasil in Asgard stand. Die drei pflegten zugleich den Lebensbaum Yggdrasil, indem sie weißen Lehm auf das immer wieder faulende Holz strichen.

Odin wusste alles, auch dass nach langer, langer Zeit ein Ende seiner Herrschaft kommen würde, denn er wusste, dass er selbst nach Ragnarök geführt werden würde, das Schicksal der herrschenden Mächte, auch ”Götterdämmerung” genannt. Nur mit seiner Weisheit konnte er das Ende aufschieben. In Richard Wagners Opernzyklus „Der Ring der Nibelungen” ist diese Mythologie dargestellt und hörbar gemacht worden.

Es geschahen jedoch zwei Dinge, wodurch Ragnarök sich näherte.

Es kam zum Krieg zwischen den Götterfamilien, den Asen und den Wanen. Die große Burg der Asen wurde von den Wanen vernichtet, weil die Asen in die Bitten der Wanen nicht einwilligten. Die Wanen waren inzestuös und folgten nach Einsicht der Asen verderblichen Praktiken. Darum weigerten sich die Asen, auf das Ersuchen der Wanen, die Reichtümer der Erde zu verteilen, einzugehen. Die Asen misshandelten Gullveig, die das Gold zu den Menschen brachte. Der Krieg brach aus, die Burg der Asen wurde vernichtet.

Ein eisiger Riese, ein Frost- oder Reifriese aus Niflheim, bot an, Asgard wieder zu erbauen, wenn er Freya, die Göttin der Schönheit und Fruchtbarkeit, zur Frau bekäme. Die Asen stimmten zu, sofern er die Burg innerhalb von sechs Monaten erbauen würde. Der Riese begann mit dem Bau, und zur Bestürzung der Asen war die ganze Burg drei Tage vor der Zeit fertig, nur das Tor fehlte noch. Loki ersann nun jedoch eine List. Der Riese baute die Burg mit Hilfe eines Hengstes, und Loki lockte den Hengst fort. Der Gott Loki war ein Blutsbruder von Odin, geboren in Niflheim, aus dem Frostriesen. Loki war der Gott des Feuers, aber auch des Chaos und der Lüge, ein Unruhestifter, der oft seine Gestalt veränderte und immer bösartiger wurde.

Als der Riese bemerkte, was Loki getan hatte, wurde er wütend. Thor wurde geholt. Er war ein Freund von Loki und beschäftigte sich mit dem Totschlagen chaosverursachender Riesen. Thor, von der ganzen Sache nichts wissend, erschlug den Riesen ohne Zögern mit einem Schlag seines Blitz- und Donner-Hammers.

Aber die Asen hatten nun ihren Eid gebrochen, weil sie den Wiederaufbau der Burg gestört hatten. Das war etwas Unverzeihliches in der nordischen Kultur, es brachte das Weltende näher.

Ein zweites Geschehen, das schließlich das Ende brachte, war der Mord an Baldur, dem Sohn von Odin und Frigg. Odin hatte Frigg zur Frau, aber er hatte daneben noch viele andere Frauen, wie es bei vielen Herrschern normal war. Er hatte sehr viele Kinder. Seinen Sohn Thor oder Donar – den wir schon kennengelernt haben –, der große Kämpfer, der den Hammer aus Donner und Blitz durch die Lüfte schwang; seine Tochter Brunhilde, die Walküre, die Rachegöttin, die mit ihrem Frauenheer über die Schlachtfelder und durch den Himmel rauschte und die Krieger in Walhalla ablieferte; seinen Sohn Baldur, ein Wesen aus Licht, Unschuld und Vollkommenheit; und noch seinen Sohn Hödur, der blind war.

Baldur
Baldur

Frigg, Odins Frau und die Mutter von Baldur, wollte ihr Kind Baldur unverletzlich machen. Es gab eine verletzbare Stelle, aber sie hatte von allen Wesen, Bäume und Pflanzen das Gelöbnis verlangt, ihrem Sohn nie etwas Böses zu tun. Sie hatte aber die Mistel vergessen. Loki suchte nach dieser verletzbaren Stelle. Verkleidet als eine alte Frau glückte es Loki, Frigg ihr Geheimnis abzugewinnen. Danach gebrauchte er Baldurs blinden Bruder Hödur als Instrument, um einen Mistelpfeil abzuschießen, indem er ihm half, diesen auf Baldur zu richten.

Odin wusste, dass keine Pflanze tödlich sein würde, aber er hatte eben eine Pflanze vergessen, und das war der Mistelzweig. Sein blinder Sohn tötete Baldur mit einem Pfeil des Mistelzweiges. Baldurs Tod brachte den Lebensbaum Yggdrasil zum wanken. Man wusste, dass, wenn Yggdrasil, der Lebensbaum, erbeben würde, die Weltenschlange aufstehen und die Welt durch Überflutung der Ozeane vernichten würde. Aber Baldurs Tod würde auch dazu führen, dass nach dem Untergang eine neue Welt entstehen würde. Bevor dies geschehen konnte, wurde Odin durch den Wolf Fenris, einen Sohn von Loki, getötet. Widar, Odins Sohn, rächte Odin dann, indem er den Fenris-Wolf mit seinen bloßen Händen tötete.

Loki wurde als Beendiger betrachtet. Baldur wurde als Beginner betrachtet.

Das Ende kam, indem der Feuergott Loki die Erde durch das Flammenschwert von Surt, dem schwarzen Feuerriesen verbrannte, der in Muspelheim wohnte und Asgard von Midgard trennen sollte.

So kam die ”Götterdämmerung”, das Ragnarök, zustande, das Ende des Götterreiches unter den Menschen, das Ende der Hellsichtigkeit. Aber nach Ragnarök würde Baldur wieder auferstehen und der Anführer der neuen Welt werden. Lif (leben) und Lifthrasir (Lebenslust), die sich in den Zweigen des Lebensbaumes Yggdrasil verbargen, wo sie sich vom Morgentau ernährten, sollten überleben.

In dem großartigen alten Mythos von Odin2 ist noch alles in Ordnung. Die Naturkräfte werden durch die Weisheitskräfte des positiven göttlichen Reiches ganz im Gleichgewicht gehalten. Odin regiert berechtigt mit seinen Asen. Erleben wir dann die spätere Zeit, ist dieses Gleichgewicht ganz zerbrochen. Die alten weisen Götter sind gestürzt, die Gegenmächte beherrschen das Feld. Es sind die Gegenmächte, die aus den Naturkräften gewaltige unternatürliche Kraft aufsteigen lassen, außerhalb der Einsicht des Menschen.

Dieses Bild ist in einer veränderten Form in unserer Zeit noch immer gültig, wir können daraus viele Lehren ziehen. Die einzige Waffe, die in der Lage ist, das aus dieser unternatürlichen Kraft hervorgehende Chaos zur Ruhe zu bringen, ist, mit denkender Lichtkraft liebevoll hineinzugehen, um diese Kraft von innen zu durchschauen.

Das ist Baldur, der durch die Christuskraft auferstehen kann und in jedem Menschen leben wird, der diese denkende Lichtkraft durch Übung liebevoll erwerben und handhaben kann.

[2] Von Rudolf Steiner wissen wir, dass Odin dieselbe Individualität ist wie Buddha und dass in Baldur ein hohes Sonnenwesen lebte.