Ein Märchen - Ansprache Parpan 29.5.2019
30-12-2022 Artikel von Jos MosmullerEs wird ziemlich schnell deutlich, dass Rudolf Steiner die Möglichkeiten hatte, eine große Ausgabe von Goethes naturwissenschaftlichen Schriften mit Kommentaren zu versehen. Diese Kommentare können wir in GA 1 zusammengetragen finden, unter dem Titel: Goethes naturwissenschaftliche Schriften.
Johann Wolfgang von Goethe, Occident 2014.
Es war Professor Joseph Kürschner, der 1882 die Deutsche Nationalliteratur herausgab und der 35 Teile von Goethes Werk veröffentlichen wollte. Er veröffentlichte die Dramen von Goethe mit den Kommentaren von Karl Julius Schröer und suchte noch einen Wissenschaftler, um die wissenschaftlichen Schriften von Goethe mit Einleitungen und Kommentaren zu versehen. Durch die Fürsprache von Schröer wurde dies Rudolf Steiner.
Karl Julius Schröer und Rudolf Steiner
Weil das Talent von Rudolf Steiner für Schröer so sichtbar war, empfahl er ihm auch, in Weimar an der Herausgabe von Goethes Werk teilzunehmen, vor allem an Goethes wissenschaftlichem Werk. Es war die Sophienausgabe des Goethe-Schiller-Instituts in Weimar. Rudolf Steiner arbeitete dort sieben Jahre von 1890 bis 1897. 1891 präsentierte er in Rostock seine Doktorarbeit Die Grundfrage der Erkenntnistheorie mit besonderer Rücksicht auf Fichte`s Wissenschaftslehre: Prolegomena zur Verständigung des philosophierenden Bewußtseins mit sich selbst und promovierte zum Doktor der Philosophie. Ein Jahr später wurde diese als Buch herausgegeben, etwas abgeändert, unter dem Titel Wahrheit und Wissenschaft. 1894 veröffentlichte Rudolf Steiner die Philosophie der Freiheit.
Ich erzähle das alles, um noch einmal ins Gedächtnis zu rufen, wie seine Entwicklung war. Im Hintergrund wirkte immer Goethes Märchen.
1895 veröffentlichte er das Buch Nietzsche, ein Kämpfer gegen seine Zeit. Er hatte in Weimar Einsicht bekommen in die Werke von Nietzsche und ihn auch an seinem Krankenbett besucht, wo er in ‚geistiger Umnachtung‘ lag, nicht mehr ansprechbar war.
Und 1897 wurde er gefragt nach Berlin zu kommen, um an der Zeitschrift für Literatur zu arbeiten. Es war Otto Erich von Hartleben, der diese Zeitschrift herausgab und auf der Suche nach einem Redakteur war. Das wurde Rudolf Steiner. Von Hartleben war viel auf Reisen nach Italien, so hatte Rudolf Steiner das Imperium allein, aber er musste dort viel arbeiten.
Der erste Artikel, den er in der Zeitschrift veröffentlichte, war Die geheime Offenbarung von Goethe. Wieder das Märchen also...
Goethe/Schiller Archiv, Weimar
Als er nach Berlin umzog, gab es aus der Gruppe um Graf und Gräfin von Brockdorff, die Theosophen waren, Interesse für Rudolf Steiner, er war inzwischen ein wenig bekannt durch sein Buch über Nietzsche und so hielt er in der Theosophischen Bibliothek einen Vortrag über Nietzsche. Man war darüber sehr enthusiastisch und er wurde für einen zweiten Vortrag gefragt, für den er selbst das Thema bestimmen konnte. Das wurde die Geheime Offenbarung von Goethe, das Märchen. Später sagte er, dass es das erste Mal war, dass er die Gelegenheit hatte einen echten esoterischen Vortrag zu halten. Das führte dann auch dazu, dass er nicht lange danach, 1902, gefragt wurde, den Vorsitz der Theosophischen Vereinigung in Berlin zu übernehmen, und kurz darauf kam die Frage an ihn von Annie Besant, der Präsidentin der Theosophical Society, Generalsekretär der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft zu werden.
Beim Vortrag in der Bibliothek war auch Marie von Sivers, die spätere Marie Steiner, anwesend. Als Rudolf Steiner gefragt wurde, Generalsekretär der Theosophischen Gesellschaft zu werden, sagte er, ja, aber unter einer Bedingung, dass Marie von Sivers mit ihm als Sekretärin zusammenarbeiten konnte.
So haben sie zusammen die deutsche Sektion weitergeführt.
Die Theosophical Society war eigentlich auf den Osten gerichtet, auf Indien und die östliche Mystik. Von Marie von Sivers kam damals die bedeutungsvolle Frage, ob er eine westliche christliche Spiritualität bringen wollte. Annie Besant stimmte dem zu.
In der Zeit danach wurde durch Rudolf Steiner in dieser deutschen Sektion verwiesen auf die deutschen Idealisten, auf Romantiker wie Novalis, auf die Rosenkreuzer-Einweihung und natürlich auch auf den Goetheanismus.
Jedes Jahr wurde in einem europäischen Land eine Versammlung abgehalten für alle Mitglieder aus allen Ländern, insofern sie kommen konnten. 1907 wurde dies in München organisiert. Da kam die gesamte Theosophische Gesellschaft, auch die Vorstandsmitglieder, Olcott, Leadbeater und Annie Besant, sie alle saßen dort.
Theosophical Society, Kongress, München 1907
Die Geladenen kamen in eine Umgebung, die überraschte. Der Saal, den sie in München vorbereitet hatten, war ganz in Rot dekoriert, es waren Säulen hergestellt, sieben Säulen mit den Planetensiegeln darauf und auch den apokalyptischen Siegeln, die Einweihungsstufen aus der Offenbarung wurden gezeigt.Während dieser Theosophischen Zusammenkünfte war es üblich, dass viel vorgetragen wurde. Nun wurden da, und das war ungewöhnlich, auch Gedichte vorgelesen, Musik gemacht, und es wurde eine Aufführung eines Dramas gezeigt, und zwar von dem französischen Theosophen Eduard Schuré, der auch anwesend war und der ein guter Freund war von Marie von Sivers (sie übersetzte sein Werk ins Deutsche). Es war sein Mysterienspiel Eleusis, das aufgeführt wurde. Die Menschen waren darüber sehr enthusiastisch und wollten danach gerne jedes Jahr so ein Treffen mit Mysterienspielen. So begann Rudolf Steiner 1910 mit dem Schreiben der Mysteriendramen, um sie aufführen lassen zu können. Aber das war nicht das Einzige, der Theosophische Kongress 1907 in München war auch der Grund für die Frage, ob all diese Mysterienobjekte, Säulen und Siegel, nicht dauerhaft aufgestellt werden könnten in einer Art Mysterientempel. So kam es, dass Karl Stockmar in Karlsruhe, in Malsch, einen ersten Versuch unternahm, um so einen Raum zu schaffen und das geschah damals im Untergrund. Dieser Tempel ist ein Raum mit sieben Säulen an der einen Seite und sieben Säulen an der anderen Seite, es ist ein ellipsenförmiger Raum, wobei an der Decke die Siegel aus der Apokalypse befestigt waren, sowie das Zeichen von Merkur und auch zwei Schlangen, eine weiße geweitete und eine schwarze geschrumpfte, die sich gegenseitig in den Schwanz beißen. Das ging noch zurück auf die ägyptischen Mysterien, die Hermes Mysterien, worin das Grundprinzip gelehrt wurde: Was oben ist, ist unten, die Schlange oben ist die Schlange unten und umgekehrt. Die Menschen konnten das anschauen. Das wurde 1911 in Malsch als eine Art Versuch eingerichtet. In Stuttgart waren in der Theosophischen Vereinigung Emil Molt und Carl Unger aktiv und sie fragten Rudolf Steiner, um in Stuttgart etwas Vergleichbares wie in Malsch zu verwirklichen. Dafür war natürlich Geld nötig. Sie bekamen für ihren Plan eine Spende von 46.000 DM und das war genügend, um das Vereinsgebäude in Stuttgart durch einen Umbau als Mysterientempel geeignet zu machen. Es kam ein großer Saal hinein für 500 Menschen mit einem geheimen Raum im Keller, gerade so wie der in Malsch gemacht war, nur größer, aber mit der gleichen Einrichtung. Wir sehen hier so etwas entstehen wie es in Goethes Märchen beschrieben ist, einen unterirdischen Raum, wo die grüne Schlange hineinkommt und die vier Könige findet, den goldenen König, den silbernen König, den ehernen König und den gemischten König, sichtbar geworden durch den Mann mit der Lampe, wo dann der Jüngling am Ende des Märchens ebenfalls hereinkommt, dann seine Lorbeerkrone empfängt, sein Schwert an der linken Seite, seine Rechte frei, um das Zepter halten zu können, dann ist es so weit, dass er mit der schönen Lilie zusammen aus diesem unterirdischen Raum aufsteigen kann, bis über die Erde und dann einen Tempel über der Erde formt, den jeder anschauen kann.
Einrichtung Versuchsbau in Malsch
1911 kam in München ebenfalls die Frage: ‚Können wir nicht auch hier einen Mysterientempel bauen, wo wir Aufführungen geben können und auch die Mysteriendramen aufführen können? Es wurde hierfür 1912 für den sogenannten Johannesbau bei der Gemeinde in München eine Bewilligung angefragt. Die Zeichnung wurde durch den Architekten Carl Schmidt Curtius gemacht und der Gemeinde vorgelegt, die diese zunächst als absolut in Ordnung akzeptierte. Aber anliegend an dieses Bauland von rund 8.000 Quadratmetern stand eine Kirche einer evangelischen Gemeinde. Dort sagte man: Wir haben hier eine Kirche und die Aussicht von unserer Kirche würde beeinflusst werden, deshalb wollen wir das nicht. Außerdem gab es auch eine Beschwerde von der Künstlervereinigung in München. Durch diese Beschwerden wurde die Baubewilligung schlussendlich doch zurückgenommen.
In der Baukommission in München saß Emil Grossheinz, er was Zahnarzt in Basel und sehr vermögend, er hatte in Dornach auf dem Dornacher Hügel ein Landgut mit vielen Quadratmetern. Er lud Rudolf Steiner ein, um zu schauen, ob er sein Landgut in Dornach geeignet fand, um dort zu bauen. Rudolf Steiner überprüfte das Landgut und er fand es sehr geeignet und akzeptierte das Angebot. Aber er sagte damals, dass es mit dem Bauen schnell gehen müsste. Im September 1913 wurde der Grundstein gelegt. Rudolf Steiner sagte schon 1912 voraus: Wir müssen schnell handeln. Das Warum war nicht deutlich. Am 7. März 1913 wurde Rudolf Steiner mit seinen Schülern durch Annie Besant aus der Theosophischen Vereinigung ausgeschlossen, weil er sich widersetzte, dass Krishnamurti zum Weltlehrer ausgerufen wurde, er sollte der inkarnierte Christus sein. Das war für Rudolf Steiner unannehmbar. Es gab inzwischen viele deutsche Theosophen, die Anthroposophen wurden, und diese hatten einen Raum nötig für ihre Arbeit. Da stellte sich heraus, warum es schnell gehen musste mit dem Bau, der in Dornach realisiert wurde. Von 1913 bis 1920 wurde in Dornach gebaut, der Name Johannesbau wurde verändert in Goetheanum. Wir müssen gut durchschauen, was der Unterschied ist zwischen dem Bau in Malsch, Stuttgart und München und dem Goetheanum. In München (Malsch und Stuttgart) war in die Pläne aufgenommen, dass der Raum, der unterirdisch lag, getrennt war von dem Raum, in dem die Zusammenkünfte der Menschen waren, der überirdisch lag. In München hatte man zum ersten Mal auch schon die Absicht, die beiden Räume über der Erde nebeneinander als zwei Kuppelräume zu bauen. Letzteres wurde in Dornach vollständig durchgeführt. Wir sehen, wie der ‚Tempel von Goethe‘ nach Dornach kam ... und von unterirdisch überirdisch wurde.
Einrichtung erstes Goetheanum, Dornach
In Dornach sieht man zum ersten Mal einen Kuppelsaal mit zweimal sieben Säulen als Zuhörersaal und den anderen Kuppelraum, die Bühne, darin befanden sich zweimal sechs Säulen aufgestellt, also zwölf. Die Sieben hat immer mit der Zeit zu tun. Die Zwölf mit dem Raum. Da wird der Unterschied deutlich. Erst ist da noch das alte luziferische Mysterienprinzip von der Sieben, das dann übergeht in die Richtung des Christusprinzips mit den zweimal sechs Säulen. Dort musste dann in die Mitte eine Christusgestalt kommen. So kommt die Sieben in die Zwölf. Das ist auch so in der Einweihung: die Zeit geht über in die ‚Dauer‘, was bedeutet, dass die Zeit zum Raum wird. Wir erkennen das in Wagners Parsifal. In dieser Oper läuft Parsifal mit Gurnemanz in einem bestimmten Augenblick zur Gralsburg und es wird dann gesagt (gesungen), dass hier die Zeit zum Raum wird. Das sieht man veräußerlicht im Bau in Dornach wieder.
In dieser Zeit arbeiteten viele Künstler und einige Architekten mit Rudolf Steiner zusammen, aber auch viele Mitglieder arbeiteten mit am Bau. Die Mitglieder arbeiteten vor allem an der Innenseite des Bauwerks, um an den Säulen die Motive zu schnitzen, das Holz zu bearbeiten und die Malerei an der Decke auszuführen, was Rudolf Steiner selbstverständlich vorbereitet hatte. Die Darstellung dieser Formen war so, dass sie zurückwirken sollten auf den Menschen. Wenn die Menschen im Raum waren, wurden in der Seele bestimmte Wirkungen durch diese Formen hervorgerufen, durch die Formung des Raumes an sich, durch die Farbabbildungen und die Malereien. Diese konnten dann selbst zum Bewusstwerden von karmischen Verbindungen führen oder die Entwicklung der Seele fördern.
1915 fragte der evangelische Pfarrer und Prediger Rittelmeyer in einer Begegnung mit Rudolf Steiner in Berlin, ob es nicht möglich wäre, ein Gemälde oder eine Skulptur von Christus zu machen, sowie er Ihn im Geist sehen konnte. Rudolf Steiner war damit schon an der Arbeit, zusammen mit Edith Maryon, die 1914 aus London gekommen war. Sie war enthusiastisch über die Anthroposophie, kam nach Stuttgart und München und beschloss in Dornach zu bleiben. Als Bildhauerin hatte sie eine gute, die höchste, Ausbildung in England genossen. Mit ihr arbeitete er an einer Skulptur, auf eine Art, wie er es angab. Wenn er auf Reisen war, machte sie vorbereitende Arbeiten an der Plastik dieses Menschheitsrepräsentanten. Einmal, als er zurückkam, ließ er deutlich merken, dass die Ausführung nicht so war, wie er beabsichtigt hatte. Er sagte: Das ist es eigentlich nicht, was ich meine. Es würde mehr einem englischen Lord gleichen.... Er wollte die Plastik bearbeiten als eine Holzskulptur. Dabei verwendete er eine bestimmte Technik, bei der man eine doppelte Drehung mit dem Meißel beim Schnitzen ins Holz machen musste. Es ist nicht klar, was man sich dabei vorstellen muss, aber Willem Zeylmans erzählte darüber. Gerade, als er mit Rudolf Steiner im Atelier in Dornach sprechen sollte, sah er ihn dort an der Arbeit. Rudolf Steiner zeigte ihm diese Technik. Man hielt den Hammer fest und dann musste man mit der Einkerbung immer eine drehende Bewegung machen und dann erst schlagen. Das ist eine bestimmte Art von Bildhauen.
Der Menschheitsrepräsentant
Rudolf Steiner erzählte ihm auch, dass eigentlich alle christlichen Skulpturen in Holz gearbeitet werden müssten, sowie beispielsweise die Pieta in Rom, in Sankt Peter, aus Holz hätte gemacht werden müssen. Das Christliche kann man nicht in Stein hauen, das muss in lebendem Material ausgebildet werden, in Holz.
1920 war im ersten Goetheanum der weiße Saal soweit fertig, dass dort Vorträge gegeben werden konnten. Ganz fertig war es noch nicht, weil die Skulptur des Menschheitsrepräsentanten noch nicht fertig war. Die Mysteriendramen wurden aufgeführt, Konzerte gegeben, Eurythmie aufgeführt und natürlich wurden Vorträge gegeben durch Rudolf Steiner, aber auch durch andere. Es war für Rudolf Steiner sehr wichtig, dass man dort Vorträge hielt, die in Übereinstimmung waren mit dem Raum, so wie der Raum in Übereinstimmung war mit den Vorträgen, die er hielt. Manchmal waren dort Menschen, beispielsweise ein Chemiker, der so naturwissenschaftlich gesprochen hatte, dass es nicht in diese Umgebung passte und die Zuhörer schmerzlich traf. Die Vorträge hatten ihre gute Wirkung nur, wenn diese in Übereinstimmung waren mit dem, was da im Raum gezeigt wurde.
So sagte Rudolf Steiner, ist die Eurythmie eigentlich entstanden durch die Ausarbeitung der inneren Formen des Goetheanums.
Gerade mal zwei Jahre hat das erste Goetheanum als fertiggestelltes Bauwerk in Dornach gestanden, dann brach ein Brand aus und das Feuer verwüstete das Goetheanum in der Silvesternacht von 1922/23.
Der Überbau war komplett aus Holz, dieser brannte vollständig ab und konnte nicht restauriert werden. Es war eine unglaubliche Katastrophe für die Mitglieder und für Rudolf Steiner. Aber er erholte sich sehr schnell, am darauffolgenden Abend gab er schon wieder einen Vortrag in der ‚Schreinerei‘, dem eigentlichen Atelier. Rudolf Steiner entschloss sich 1923 zur Aufhebung der alten Gesellschaft und zur Gründung einer neuen Gesellschaft während der Weihnachtstagung von 1923/24. Er sagte dann, dass gerade so wie in Ephesus, wo der Mysterientempel durch Brandstiftung abbrannte, er in Dornach die Möglichkeit hatte, um alles, was an geistiger Wirkung im Goetheanum anwesend war, im Geiste zu schauen und zurück zur Erde zu bringen. Er hatte das nach dem Brand vorbereitet, um daraufhin die Weihnachtstagung zu organisieren, die 1923/24 stattfand und wir sehen dann, dass geradeso wie in Ephesus die Tempelweisheit, die in die Luft aufging und später durch Aristoteles in den Kategorien aufgefangen wurde, nun durch Rudolf Steiner das, was geistig anwesend war im ersten Goetheanum, zusammengefasst wurde in einen Grundsteinspruch für das neue Goetheanum, das eigentlich nicht äußerlich gebaut werden sollte – obwohl da schon ein Bau- werk kam – aber das in den Herzen der Mitglieder gebaut werden musste.
Marie Steiner von Sivers und Ita Wegman
Das geistige Goetheanum, das darauf aufgebaut wurde, ist dann eigentlich der Inhalt der Freien Hochschule, die Klassenstunden.
Das erste halbe Jahr waren die Mitglieder überall auf der Welt, wo Anthroposophen lebten, sehr aktiv und enthusiastisch und Ita Wegman sagte 1924 in Paris, dass die Weihnachtstagung gelungen war und angenommen wurde. Aber das Feuer des Enthusiasmus erlosch schnell wieder und schlussendlich – Rudolf Steiner hat nach der Weihnachtstagung noch neun Monate arbeiten können – wurde er im September 1924 krank und starb am 30. März 1925 in Dornach.
Goetheanum, Dornach, Schweiz
Es muss dann auch noch etwas gesagt werden über das zweite Goetheanum. Der Entwurf des ersten Goetheanums wurde im Beisein von Marie Steiner gemacht. Dieses Bauwerk wurde an der Innenseite sehr intensiv spirituell-künstlerisch bearbeitet. Das Bauen des zweiten Goetheanums wurde beschlossen in der Zeit, als Rudolf Steiner in enger Zusammenarbeit mit der Ärztin Ita Wegman war. Es wurde ein Bauwerk entworfen, das nur eine äußere Umhüllung für die anthroposophische Bewegung sein sollte.
Beim Entstehen dieses Entwurfes war immer Ita Wegman anwesend. Wenn man den Entwurf anschaut, erlebt man etwas von dem Wesen Ahrimans. Das erste Goetheanum hat das Mysteriöse, mehr Luziferische der Einweihung und das zweite hat mehr das Äußere des Ahrimanischen. Es wird dann auch ein vollkommener Betonbau. Es war die Absicht, die entgegenwirkenden Kräfte tatkräftig nach außen abzuwehren und das Bauwerk von innen zu erleuchten mit dem Grundsteinspruch und den Klassenstunden. Das erste Goetheanum durfte da nicht aufs Neue eingemeißelt, gehämmert, geformt oder gefärbt werden. Das, was in den Herzen der Menschen entstand, musste das Bauwerk durchstrahlen.
Aber als der Meister am 30. März 1925 nach einem halben Jahr Krankenbett starb, entstand sehr schnell Uneinigkeit unter den Vorstandsmitgliedern. Hierdurch kam es auch zur Trennung zwischen den niederländischen, englischen und deutschen Gesellschafts-Abteilungen. Man kann das nicht anders begreifen, als dass die innerliche Kraft der Vorstandsmitglieder nicht groß genug war, um den Verlust des Meisters zu ertragen und in seinem Geist weiter zuarbeiten.
Es sind also drei Etappen, wenn man auf die Wirksamkeit von Rudolf Steiner schaut. Als erste die erkenntnistheoretische Phase mit der Philosophie der Freiheit, Wahrheit und Wissenschaft und Grundlinien einer Goethe'schen Weltanschauung. Hierauf folgt dann die Mystik im Aufgang des neuzeitlichen Geisteslebens, gefolgt durch die künstlerische und christliche Phase; dann entsteht die Wirksamkeit, die nach außen gerichtet ist, die sich in der Dreigliederung des sozialen Organismus äußert, der Christengemeinschaft, der Waldorfschule, der anthroposophischen Medizin und dem biologisch-dynamischen Landbau. Aber die Bewegung nach außen, in die Welt hinein, muss natürlich mit enormer innerlicher Kraft ausgestrahlt werden, sonst wird diese zurückgeschlagen.
Diesen Rückschlag sieht man seit dem Tod von Rudolf Steiner immer weiter auftreten. Es tritt eine Spaltung auf zwischen den deutschsprachigen und englisch-niederländischen Abteilungen in der Anthroposophischen Gesellschaft.
Die Verbindung mit der großen Außenwelt geht verloren.
Es tritt eine Art Abschließen in den eigenen Sektionen auf.
Vor nicht allzu langer Zeit las ich eine Zeitschrift, eine niederländische Zeitschrift einer Waldorfschule, mit einer schönen Formgebung in Farbe und Bild, aber es steht nichts Wesentliches darin, es ist äußerlich sehr schön , aber man vermisst das Erleben. Man kann viele Dinge äußerlich zustande bringen, aber wenn das nicht getragen wird durch eine innere Entwicklung, wodurch Kraft und Erleben entsteht, ist Anthroposophie nach außen unwirksam.
In unserer modernen Zeit können wir zur Freiheit kommen dadurch, dass wir die individuelle Willenskraft, das Beste, was wir haben, in den Verstand emporheben, woraus dann moralische Ideen entstehen können.
Diese Ideen können dann durch moralische Phantasie und moralische Technik als Liebe in die Welt getragen werden.
Dies entsteht nur, wenn der Wille im Denken zur erlebbaren Kraft wird, die fühlend wird und zu moralischen Handlungen aufruft.
Dann ist das Märchen von Goethe Wirklichkeit geworden.
Wenn der unterirdische Tempel über die Erde erhoben wird, wird das Geheimnis offenbar.
'Was ist erquickender, als das Licht, das Gespräch' Der Jüngling und die schöne Lilie, der Wille und das Denken begegnen einander.
Abbildung aus dem Märchen