Zum Vortrag von Mieke Mosmuller über die Kategorien von Aristoteles anlässlich der Präsentation ihres aktuellen Buches in Breda (Holland)
14-03-2014 Buchbesprechung von Kurt HoferMit ihrem aktuellen Buch „Die Kategorien des Aristoteles. Die Buchstaben des Weltenwortes“ legt Mieke Mosmuller ein fast 400-seitiges Werk vor, das nahtlos an ihre bisherige publizistische Arbeit in ihrer ganzen eindrücklichen Vielfalt und zugleich unverkennbaren Einheitlichkeit anschliesst. Gleichzeitig stellt das neuste Buch hinsichtlich der Erwartungen, die es an die Lesenden stellt, wohl einen vorläufigen Höhepunkt ihres bisherigen Schaffens dar. Es führt die Lesenden, die Satz für Satz als elementar Übende im selbständigen Denken gefordert sind, mit hoher Intensität in ihr eigenes geistiges Erleben hinein.
Grundlage der vorliegenden Buchpublikation, welche sowohl in holländisch wie in deutsch erschienen ist, bilden eine Reihe von Vorträgen, welche Mieke Mosmuller in den vergangenen Jahren an verschiedenen Orten zur Kategorienlehre des Aristoteles gehalten hat. Anlässlich der Präsentation des Buches vor rund 100 Freunden und Interessierten im holländischen Breda setzte sie diese Vortragsreihe ihrerseits fort. Dem Anlass am Samstag 8. Februar 2014 nachmittags entsprechend, richtete sich Mieke Mosmuller in ihren Ausführungen bewusst an ein breit gefächertes Publikum. Dies nachdem Jos Mosmuller einleitend in eindrucksvollen Worten und mit berechtigter Freude auf 20 Jahre Occident Verlag auf der Grundlage des geistigen Entwicklungsweges, den Rudolf Steiner gegeben hat, zurückgeschaut hatte.
(Eindruck der Buchpräsentation in Breda)
In der Folge soll versucht werden, die Grundzüge des Vortrages von Mieke Mosmuller in Breda für die Leserinnen und Leser des vorliegenden Rundbriefes soweit möglich nachzuzeichnen. Dies in der Hoffnung, dass die Sicht eines Zuhörers eine gewinnbringende spezifische Perspektive auf den Vortrag darstellt. Einleitend stellt Mieke Mosmuller die Frage in den Raum, was die Kategorien des Aristoteles - sie nennt sie in der Folge auch Grundbegriffe - eigentlich sind. Am Schluss des Vortrages gibt sie darauf eine Antwort, die für die Zuhörenden an dieser Stelle ebenso logisch ist, wie sie zur musikalischen Rahmung des gediegenen Anlasses passt: „Wenn man die Logik des Aristoteles hören würde, - ich meine nicht, dass sie in Musik umgesetzt würde, sondern dass sie wirklich erklingen würde -, dann würde man so etwas hören, wie die Musik von Bach.“
Mieke Mosmuller gibt diese Antwort, nachdem sie die Zuhörerinnen und Zuhörer in einer überblicksartigen historischen Betrachtung an die aristotelische Kategorienlehre herangeführt, oder sie vielmehr schrittweise in diese hineingeführt hat. Auf diesem Weg wird für den aufmerksamen Zuhörer – wie dies bei Mieke Mosmuller immer wieder auffällig ist – eindrucksvoll erlebbar, dass hier keinesfalls bloss eine schliessende Folgerung gezogen oder gar eine einfache Behauptung aufgestellt wird, sondern sehr exakte Mitteilungen zum eigenen Erleben gemacht werden; in diesem Falle letztlich zum Erleben der aristotelischen Begriffsharmonien.
Den Anfang der historischen Betrachtung setzt Mieke Mosmuller bei der Entstehung der griechischen Philosophie einige Jahrhunderte vor Christus – also zu jener Zeit, als der Mensch anfing zu bemerken, dass er ein selbständiges Gedankenleben hat, wie sie betont. In dieser Zeit lebte Pythagoras. Pythagoras, so führt sie aus, wurde noch gewahr, dass Gedanken tönen und klingen. Was später Goethe im „Faust“ als „Die Sonne tönt…..“ wieder aufleben lässt, war demnach für Pythagoras beim Blick in den Kosmos eine alltägliche Selbstverständlichkeit: Die Planeten lassen auf ihren Bahnen eine Sphärenharmonie erklingen. Man kann also hören, was sich auch mit den Mitteln der Mathematik berechnen und als Gedankensystem festhalten lässt: die objektive Weltordnung.
Über Heraklit, Sokrates und Plato, die je eigene Stufen der Entwicklung des menschlichen Gedankenlebens zum Ausdruck brachten, kommt Mieke Mosmuller schliesslich auf Aristoteles zu sprechen. Mit Aristoteles, so die Rednerin, trat erstmals ein abstraktes Denken in die Welt. Aristoteles setzt an die Stelle von real erlebten Sphärenharmonien – und trotzdem in enger innerer Verwandtschaft zu diesen – Abhandlungen über die Logik in reinster Form. Er entdeckt dabei, dass in jedem Denken eine Anzahl (10) voneinander abgegrenzte Grundbegriffe zu finden sind, auf dem dieses aufbaut und die jeder Mensch als ein Denkender in sich hat. Denkend (und sprechend) wendet er diese Kategorien immer an – auch wenn er sich dessen keinesfalls bewusst zu sein braucht.
In ihrer Fundamentalität und inneren Differenziertheit, so erwacht beim Zuhörenden durch die Ausführungen von Mieke Mosmuller an dieser Stelle des Vortrages eine deutliche Ahnung, stellen diese Grundbegriffe für alles Denken eine wichtige mögliche Brücke dar, um in der heutigen Zeit wiederum in ein lebendiges Denken hineinzuwachsen. Dieses kann und muss das vorherrschende tot-abstrakte Denken in Zukunft ablösen. Das geschieht jedoch nicht von selbst, wie Mieke Mosmuller hervorhebt. Voraussetzung dafür ist die individuelle Entwicklung des Menschen – jene so zentrale Aufgabe, für welche sie uns seit ihrem ersten Buch ihre ganze Schaffenskraft schenkt. Im Verlaufe dieser Entwicklung aber kann sich, so Mieke Mosmuller, das was „Kategorien“ dem griechischen Wortstamm nach sind, schrittweise selber verwirklichen: etwas „schimmert hindurch“. Dem sich entwickelnden Menschen wird also etwas verraten, was ohne diese seine Entwicklung notwendigerweise verborgen bleiben würde.
Um verständlich zu machen, wie tief die Kategorien, die zunächst so abstrakt erscheinen, in das Leben jedes Menschen hineinführen, geht Mieke Mosmuller näher auf die erste Kategorie ein, die Aristoteles ‚Ousia‘ nennt und im Lateinischen später mit 'Substanz' übersetzt wurde. „Mit dem Grundbegriff ‚Ousia‘, so führt Mieke Mosmuller aus, ist besagt, dass etwas wirklich da ist.“
Spätestens hier wird der Zuhörende schonungslos geprüft, wo er in seiner eigenen Entwicklung aktuell steht. Er muss sich selber einen Begriff von „Ousia“ bilden. Gleichzeitig wird für ihn durch das Vorgetragene erahnbar, weshalb die Kategorien des Aristoteles wahrhaft die Buchstaben des Weltenwortes sind, nachdem im Evangelium des Johannes geschrieben steht, dass im Anfang das Wort war; das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet.
Dieses Etwas, was wirklich da ist, so führt Mieke Mosmuller aus, kann auch ein Mensch sein. Wenn sich nun „Ousia“ in Wahrnehmung und Begriff auf den physischen Begriff Körper des Menschen beschränkt, verschwindet dieser mit seinem Tod. Wenn das Erleben von „Ousia“ jedoch in Wahrnehmung und Begriff so weit auferstanden ist, dass dieser Mensch im eigenen Erleben nicht bloss als körperliches, sondern als real erfahrbares geistiges Wesen existiert, bleibt der Mensch über den Tod hinaus als ein Seiender anwesend. Dieses Sein aber ist ein übersinnliches, ein göttliches Sein.
Vor dieser ebenso alltäglichen wie unendlich tief reichenden Betrachtung von Mieke Mosmuller wird schliesslich auch verständlich, was sie abschliessend zusammenfassend ausführt: Dass die Begriffswisssenschaft des Aristoteles eine Wissenschaft des Logos ist - und ganz auf den Punkt gebracht: „Die Wissenschaft des Begriffs ist die Logik, der Begriff (selber; KHF) ist der Logos, das wahre Licht, das jeden Mensch erleuchtet.“
Der Logos aber „kann auch klingen, kann Musik werden.“